-
Pit veröffentlichte ein Update in der Gruppe
Psychiatrie Offenburg vor 4 Monaten, 2 Wochen
Neue Behandlungsmodelle für Menschen mit schweren psychischen Störungen
Veröffentlichungsdatum: 03 Juli 2023 11:46PD Dr. Dr. Stefan Weinmann wird neuer Chefarzt der Erwachsenenpsychiatrie in der MEDICLIN Klinik an der Lindenhöhe
PD Dr. Dr. Stefan Weinmann
Offenburg, 03.07.2023. Seit dem 01.07. leitet PD Dr. Dr. Stefan Weinmann die Erwachsenenpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der MEDICLIN Klinik an der Lindenhöhe in Offenburg und das MEDICLIN Traumazentrum Durbach. Weinmann ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und hat als Oberarzt in verschiedenen psychiatrischen Kliniken, zuletzt im Theodor-Wenzel-Werk und im Vivantes Klinikum Am Urban in Berlin gearbeitet. In der Klinik an der Lindenhöhe und im Traumazentrum Durbach folgt er auf PD Dr. Ulrich Frommberger.
Rückkehr in die Heimat
In Freudenstadt und Emmendingen aufgewachsen, kehrt Weinmann mit seinem Wechsel an die Klinik an der Lindenhöhe quasi in die Heimat zurück. Neben der psychotherapeutischen und psychotraumatologischen Orientierung der Klinik reizt ihn auch die Möglichkeit zur Lehre und Forschung in der Klinik an der Lindenhöhe als akademisches Lehrkrankenhaus. „Ein weiterer Pluspunkt ist das gute kollegiale Klima, das in der Klinik herrscht“, sagt Weinmann.
Schwerpunkte seiner bisherigen Arbeit waren die Reduktion von Zwang in der Akutpsychiatrie, die Einführung stationsäquivalenter Behandlung, Psychosenpsychotherapie sowie traumasensible Behandlung. In diesen Bereichen möchte er auch in der Klinik an der Lindenhöhe neue Impulse setzen.
Alternative zur stationären Aufnahme: Stationsäquivalente Behandlung (Stäb)
In den meisten psychiatrischen Kliniken gibt es die Möglichkeit stationär, teilstationär oder ambulant behandelt zu werden. „Eine weitere Möglichkeit zur Behandlung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen ist die sogenannte stationsäquivalente Behandlung. Bei diesem aufsuchenden Modell werden Patient*innen von einem multiprofessionellen Team zuhause behandelt. Das kann zum Beispiel für Menschen, die nicht in eine Klinik wollen oder aufgrund familiärer Verpflichtungen nicht von zuhause weg können, ein wichtiges Angebot sein“, sagt Weinmann. Sein Ziel ist es, die stationsäquivalente Behandlung in der Klinik an der Lindenhöhe einzuführen. „Zuhause eine schwere Krise zu bewältigen, das gibt den Patient*innen Selbstvertrauen. Das Risiko einer Wiederaufnahme kann dadurch ebenso sinken“, betont er.
Kommunikative Mittel, um Zwang zu reduzieren und Traumata anzuerkennen
„Die Art der Kommunikation mit unseren Patient*innen spielt eine entscheidende Rolle für deren Genesung. Hilfreiche Mittel zur Reduktion von Zwang sind zum Beispiel wertschätzende Kommunikation, das Einbeziehen von Angehörigen, Nachbesprechungen von Zwangsmaßnahmen mit dem Betroffenen selbst und Konfliktherde konkret zu benennen“, erklärt Weinmann. „Auch bei der traumasensiblen Therapie geht es um Kommunikation. Man geht davon aus, dass viele Menschen etwa mit schweren psychotischen Phasen in der Vergangenheit traumatische Erfahrungen gemacht haben. In einer schweren Krise sind aber nicht nur Medikamente, sondern auch eine besondere Haltung und ein psychotherapeutisches Vorgehen wichtig, für das es noch zu wenig Ausbildung gibt. Hier ist es durchaus möglich, Traumata zu berücksichtigen und in der Beziehungsgestaltung sensibel gegenüber den Patient*innen zu sein“, sagt der neue Chefarzt.
Gemeinsame Verantwortung im Behandlungsteam ohne große Hierarchie
Natürlich sieht Weinmann auch die Herausforderung der Fachkräftegewinnung. „Um gutes Personal zu finden, braucht es gute Arbeitsbedingungen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Ich werde aktiv daran mitarbeiten, die Attraktivität der Klinik weiter zu steigern“, betont er. Die interprofessionelle Zusammenarbeit sei für ihn wichtig. „Aufgaben nicht per se nach Hierarchien oder Professionen aufzuteilen, sondern Kernkompetenzen anzuerkennen und gemeinsame, berufsübergreifende Fortbildungen zu machen – das macht ein Team flexibel, auch bei Personalmangel“, sagt er. Inhaltlich sei geplant, die Zusammenarbeit mit dem Fachbereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu vertiefen und die Adoleszentenpsychiatrie auszubauen. „Wenn eine Patientin oder ein Patient aufgrund des 18. Geburtstages von der Kinder- und Jugendpsychiatrie in die Erwachsenenpsychiatrie wechseln muss, ist es wichtig, einen guten Übergang zu schaffen. Dazu sind gemeinsame Angebote sinnvoll“, erklärt Weinmann.
Auf Stationsebene spreche für ihn alles für eine duale Leitung, bestehend aus einem Arzt bzw. einer Ärztin oder einem anderen Therapeuten und einer Pflegekraft: „Regelmäßige Abstimmung, flache Hierarchien und eine gute Kommunikation im Team führen zu einem positiven Behandlungsklima – und das kommt natürlich auch den Patient*innen zugute.“ Ein weiterer Punkt stehe auf seiner Agenda: „Die Einführung von Genesungsbegleiter*innen. Menschen, die selbst eine psychische Erkrankung hatten, behandelt wurden und nun gesund sind, sollen fest angestellt Teil des Behandlungsteams werden. Sie sind Expert*innen aus Erfahrung und haben eine besondere Rolle, denn sie zeigen Patient*innen, dass auch aus schweren psychischen Krisen etwas Positives entstehen kann.“